Nach
Schätzungen von Experten leiden in Deutschland 25 bis 30 Millionen Menschen
unter Allergien. Als deren Auslöser können unterschiedliche Stoffe wirken.
Die Symptome reichen von lästigen Hautirritationen, über Nasenjucken und
Magenverstimmungen bis zum allergischen Schock mit Bewusstlosigkeit und
Kreislaufversagen. Hinter diesen so verschiedenen Reaktionen steht jedoch
immer wieder dieselbe Ursache: das eigene Immunsystem spielt „verrückt“.
Harmlose Stoffe werden als gefährliche Eindringlinge gesehen und als solche
bekämpft. Diese Abwehrreaktionen sorgen für die eigentlichen Symptome,
meistens genau dort, wo der Kontakt mit dem Auslöser stattfand.
Wie kommt es zu diesen
Entgleisungen des Immunsystems?
Vor allem
Umwelteinflusse spielen hier eine entscheidende Rolle: Haushaltschemie, die
Fortschritte der Lebensmittelindustrie, die Umweltverschmutzung. Diese und
viele andere Faktoren bescheren uns den täglichen Kontakt mit immer neuen
chemischen Verbindungen. Das Immunsystem muss sich ständig mit neuen Stoffen
auseinandersetzen und über deren Gefährlichkeit entscheiden. Kein Wunder,
dass es eines Tages heillos überlastet ist. Gleichzeitig leben wir im
Vergleich zu unseren Vorfahren in einer fast sterilen Welt. Sämtliche
Lebensmittel werden fachmännisch gereinigt und konserviert, das ständige
Händewaschen gehört zu den Selbstverständlichkeiten. Im Haushalt finden
immer mehr Reinigungsmittel Einsatz, die nicht nur den Schmutz entfernen,
sondern auch Keime abtöten. Es bleibt immer weniger Arbeit für das eigene
Immunsystem übrig. Auch diese spezifische Unterbelastung begünstigt
bekanntermaßen das Entstehen von Allergien.
Weniger
bekannt ist vielleicht, dass auch unsere emotionale Verfassung den Verlauf
von allergischen Erkrankungen beeinflusst. Steht man von allen Seiten unter
Druck, fallen auch die Symptome der Allergie oft heftiger aus. Diese
Erfahrung machen Betroffene immer wieder. Manchmal wirkt es so, als würde
die Krankheit für ihre Schübe immer die unpassendste Zeit aussuchen. Vor
allem, wenn sich die Allergie in Form von Hautausschlag äußert, ist der
Zusammenhang nachvollziehbar: steht man unter Stress, so kratzt man sich
besonders oft und heftig. Aber auch die Betroffenen, die an einer
Pollenallergie leiden, machen immer wieder die Erfahrung, dass die Stärke
der Symptome nicht nur mit der Pollenbelastung sondern auch mit der
emotionalen Verfassung etwas zu tun hat. Untersuchungen haben z.B. gezeigt,
dass bei allergischen Asthmatikern nicht nur das Allergen, also der
auslösende Stoff, sondern allein die Vorstellung daran einen Asthmaanfall
auslösen kann. Das ist auch kein Wunder, denn...
Die Psyche und das
Immunsystem arbeiten eng zusammen
Dies war
schon immer so. Im Laufe der Evolution sicherte diese Zusammenarbeit das
Überleben unserer Vorfahren. Bei emotionalen Belastungen wurden die
Aktivitäten des Immunsystems unterdrückt. So erreichte der Körper, dass wir
im Fall einer Lebensgefahr nicht durch Juckreiz oder eine laufende Nase
abgelenkt werden. War die Belastung vorbei, arbeitete das Immunsystem auf
Hochtouren, um eventuelle Schäden rechtzeitig zu beheben. Übrigens auch
starke körperliche Belastungen (Ausdauersport) und Blutverlust (das Spenden
von Blut) aktivieren auf natürlichem Wege unser Immunsystem, denn auch sie
waren in der Welt unserer Vorfahren mit Kampfsituationen und möglichen
Verletzungen verbunden.
Deswegen
funktioniert das Immunsystem am besten, wenn Zeiten starker Aufregung sich
in körperlicher Aktivität „entladen“ und mit Phasen von Entspannung und
Erholung abwechseln. Für den Dauerstress des modernen Lebens ist es dagegen
schlecht angepasst. Dieser bringt viel zu lange Perioden der Anspannung mit
sich, ohne einen Ausgleich durch Sport und ohne Erholungspausen
zwischendurch. Wir brauchen Wochen oder Monate, um eine Lebenskrise zu
überwinden, wir grübeln nachts, wir verbringen Tag für Tag in sorgenvoller
Anspannung. Für unseren Körper ist diese Situation äußerst unnatürlich. Das
Immunsystem bleibt unterdrückt und bekommt nur selten eine Chance, „mal
richtig aufzuräumen“ und sich zu erholen. Wie bei vielen anderen
Körpersystemen sorgt dies auch bei der Immunabwehr für Irritationen, sprich
für Allergien.
Was können wir dagegen
tun?
Sport und
regelmäßige Entspannung lauten wichtige Tipps für jeden, der seinem
Immunsystem etwas Gutes tun will. Unter Entspannung sind dabei nicht nur
meditative Übungen gemeint, sondern alles, was für Energie und gute Laune
sorgt, sei es ein Abend im Straßenkaffee, Treffen mit Freunden oder ein
nettes Buch. Wichtig ist nur, sich für derartige Verschnaufpausen richtig
Zeit zu nehmen und das nicht nur am Wochenende sondern auch in der Woche.
Halten Sie sich vor Augen, dass es nicht ums Faulenzen geht, sondern um
etwas, was für den eigenen Körper ausgesprochen wichtig ist. Und achten Sie
darauf, ob Sie sich dabei auch richtig entspannen können. Eine anschließende
Auswertung kann dabei nützlich sein.
Konnten Sie
all ihre Sorgen wenigstens für eine kurze Zeit los lassen und den Abend ohne
„wenn und aber“ genießen?
Verbrachten
Sie die meiste Zeit mit Grübeln?
Oder können
Sie sich im Moment vielleicht gar nicht vorstellen, sich wirklich zu
entspannen?
Wenn Sie die zweite und dritte
Frage mit „ja“ beantworten, sollte es ein Warnzeichen sein. Sie stehen zu
sehr unter Druck. Auch wenn Sie der Meinung sind, dieser Belastung stand zu
halten, für Ihren Körper kann diese zu groß sein. Vielleicht ist die
Verschlimmerung von Allergie-Symptomen eine erste Reaktion darauf. Also ist
es auch an der Zeit, nach Lösungen zu suchen, sich vielleicht über
Entspannungsübungen zu informieren oder mit einem Psychotherapeuten zu
sprechen. Es wird dann vielleicht nicht so sehr darum gehen, Probleme zu
bearbeiten, sondern vielmehr um Tipps und praktische Überlegungen, wie man
trotz der belastenden Situation den eigenen Körper und die eigene Seele
schonen kann. Auch ein offenes Gespräch über Probleme und verständnisvolle
Begleitung über schwierige Zeiten haben schon oft Wunder bewirkt.
Oder will uns unsere
Krankheit etwas sagen?
Sind die
Symptome der Allergie vielleicht nicht zufällig entstanden? Wie oft haben
wir die Nase voll von unseren täglichen Belastungen und wollen das nicht
zugeben. Nur plötzlich ist die Nase ohne einen ersichtlichen Grund
buchstäblich voll. Eine Erkältung? Nein, plötzlicher Ausbruch der
Pollenallergie. Ist das ein Zufall oder ein Denkanstoß? Bildet die Haut
vielleicht Bläschen und Schuppen, um uns daran zu erinnern, dass wir uns
auch im übertragenen Sinne in unserer Haut nicht wohl fühlen? Oder ist das
Ganze nur Wortspielerei eines spitzfindigen Psychotherapeuten?
Die Nase
und die Haut sind zwei Bereiche, die von allergischen Reaktionen besonders
oft betroffen sind. Das sind aber auch die ältesten Sinnesorgane, die wir
haben. Im Laufe der Evolution sind Geruchs- und Tastsinn lange vor dem Hören
und Sehen entstanden. Auch in unserer eigenen Entwicklungsgeschichte konnten
wir schon fühlen und riechen, als das Sehen und das Gehör noch lange nicht
ausgereift waren. Und so werden auch Geruchs- und Tastinformationen in sehr
tiefen „alten“ Bereichen des Gehirns verarbeitet, genau dort, wo auch die
Emotionen entstehen. Die Gerüche können tief sitzende Erinnerungen wach
rufen, sie können Geborgenheit vermitteln oder beunruhigen. „Die Sache
stinkt mir“, sagen wir, wenn wir die eigene Abneigung gegen ein bestimmtes
Projekt nicht logisch erklären können. Oft ist an dieser Erklärung etwas
Wahres dran, denn unsere intuitiven Entscheidungen finden so manchmal auf
der Grundlage von kaum wahrgenommenen Gerüchen statt. Ist die
Nasenschleimhaut gereizt und geschwollen, dann sind wir diesen wichtigen
Sinneskanal für eine Weile los. Bestimmten Erinnerungen, Erkenntnissen und
Einflüssen wird eine Wand vorgeschoben. Wir können weniger „aus dem Bauch
heraus“ entscheiden. Wollen wir das vielleicht auch so, zumindest unbewusst?
Ähnlich
verhält es sich auch mit der Haut: Glatte Haut ist in den meisten Kulturen
ein Symbol für Schönheit. Das Streicheln und Massieren ist mit tiefer
Entspannung verbunden. Und kaum etwas ist nervenaufreibender als ein
ständiger Juckreiz. Sucht die innere Unruhe vielleicht so ihren Weg an die
Oberfläche? Schützen wir uns vor der inneren Anspannung, vor bestimmten
Gedanken und Gefühlen, indem wir uns ständig kratzen müssen?
Diese
Fragen markieren den Anfang eines Weges. Wer sich damit auseinandersetzt,
wird mehr über sich selbst, das eigene Seelenleben und den eigenen Körper
erfahren. Psychotherapeuten machen hier immer wieder die Erfahrung, dass auf
diesem Weg lästige Symptome verschwinden, sobald der Körper sie nicht mehr
braucht.
Vertiefende
und weiterführende Literatur:
Bourbeau L (1999) Höre auf deinen besten Freund, auf deinen Körper.
Windpferd
Gieler U (2005) Die Sprache der Haut. Das Wechselspiel von Körper
und Seele. Walter-Verlag
Kinon U (2002) Allergie? Allergie! Erkennen, Behandeln, Heilen.
Gesundheit kannst du lernen. Books on Demand
Lieb H, von Pein A (2001) Der kranke Gesunde. Trias
Maguire A (2003) Hauterkrankungen als Botschaften der Seele. Patmos
Martel J (2003) Mein Körper – Barometer der Seele. Das
psychosomatische Lexikon, das schon beim Lesen hilft. VAK Verlags GmbH