Der
Alltag bringt es mit sich, dass nicht immer eitel Sonnenschein herrschen
kann. Zeiten, in denen es nicht so glatt läuft, wie es laufen sollte, sind
wohl jedem Menschen vertraut. Man quält sich morgens lustlos aus dem Bett,
ohne Erwartung auf den Tag, der scheinbar sowieso nichts Erfreuliches
bereithält. Der Blick in den Spiegel muntert ebenso wenig auf wie der
Blick in freundliche Gesichter. Das ist manchmal so. Oft gibt es plausible
Erklärungen dafür, warum man gerade schlechtgelaunt und missmutig eher
seine Ruhe haben möchte statt sprühenden Elan oder Charme zu verbreiten.
Vielleicht war der unerquickliche Nachtschlaf daran schuld, ein Streit mit
dem Partner oder ein kniffliges Problem, für das momentan eine Lösung
fehlt. Häufig findet man konkrete Ereignisse, die für ein augenblickliches
Stimmungstief verantwortlich sind, würde man sich die Mühe machen, bewusst
nach ihnen zu suchen. Diese Phasen sind vorübergehend, sie tauchen auf und
verschwinden wieder – häufig unbemerkt. Sie gehören zu unserem Leben und
zur Bandbreite unserer wahrgenommenen Gefühle, die alle Facetten von
Freude bis Trauer umfassen.
Im
Gegensatz zu diesen ‚normalen’ Stimmungsschwankungen erreichen Depressionen
eine völlig andere Dimension in ihrem Ausmaß, ihrer Ausprägung und in ihrem
Einfluss auf die gesamte psychische und physische Befindlichkeit. Das
morgendliche Aufstehen wird eine nahezu unüberwindbare Hürde. Man fühlt sich
nicht nur vorübergehend, sondern tagelang müde, gereizt und passiv. Das
Interesse an vormals schönen Dingen, die Begeisterung für ein liebgewordenes
Hobby, der Enthusiasmus auf Arbeit bzw. zu Hause verschwindet. Egal, wie
schön das Wetter ist, wie freundlich und aufmerksam die Menschen der
Umgebung – Niedergeschlagenheit und Energielosigkeit dauern an. Alles ist
und bleibt Grau in Grau. Düstere Grübeleien verstärken das Gefühl der
eigenen Hilflosigkeit bis hin zur Hoffnungslosigkeit. Der Glaube an die
eigenen Fähigkeiten geht zunehmend verloren. Selbstvertrauen und
Selbstwertgefühl werden immer geringer, Suizidgedanken verschaffen sich mehr
und mehr Raum. Fehlender Appetit, Konzentrationsstörungen, eine Vielzahl
körperlicher Beschwerden, Desinteresse an Sexualität und Erotik, wachsende
Schuldgefühle, die eigene Vernachlässigung… jeder Lebensbereich und die
gesamte Lebensqualität werden durch eine Depression beeinflusst.
Was ist eine Depression?
Die unterschiedliche
Verwendung des Begriffs ‚Depression’ (von lat. ‚deprimere’ = herunter-,
niederdrücken) kann verwirren. Traditionell unterteilte man Depressionen
nach ihren ursächlichen Gesichtspunkten: psychogene Depression
(reaktiv/neurotisch), endogene Depression (anlagebedingt) und somatogene
(organisch-körperlich bedingte) Depression. Dieser Sichtweise, bei der man
von jeweils nur einer Ursache als Auslöser ausging, steht im gegenwärtigen
Diagnose- und Klassifikationssystem eine möglichst exakte und
ausschließliche Beschreibung der bestehenden Krankheitssymptome gegenüber.
Bei der Entstehung
einer Depression spielen eben nicht nur e i n e Ursache, sondern viele
verschiedene Faktoren eine Rolle. Wissenschaftlich nachgewiesen wurden unter
anderem auch genetische, neurobiologische und chronobiologische Faktoren,
die beispielsweise für die im Herbst oder Frühjahr gehäuft auftretenden
depressiven Stimmungen verantwortlich sind. Menschen reagieren depressiv auf
kritische negative Lebensereignesse wie den Verlust einer nahe stehenden
Person, dauerhafte Konflikte oder gravierende Veränderungen, die durchaus
auch positiv sein können wie eine neue Beziehung, Eltern werden, eine
bestandene Prüfung, Umzug oder Beförderung. Depressive Verstimmungen und
Episoden können außerdem in Zusammenhang mit körperlichen Erkrankungen wie
Schilddrüsenfunktionsstörungen, bei Herzerkrankungen, Hirntumoren, Multiple
Sklerose, Parkinson-Erkrankung oder Krebs auftreten.
Welche verschiedenen Formen von Depression gibt es?
Bei der differenzierten
Diagnostik einer depressiven Verstimmung ist zu unterscheiden, ob es sich um
eine vorübergehende Stimmungsschwankung, eine Trauerreaktion oder um eine
Depression mit Krankheitswert handelt. Obwohl das Erscheinungsbild einer
Depression sehr vielgestaltig ist, gehören Niedergeschlagenheit, der Verlust
von Lebensfreude, Schlafstörungen, Antriebslosigkeit und Desinteresse sowie
zahlreiche körperliche Beschwerden zu den Leitsymptomen. Die Bandbreite kann
von einer leichten Verstimmung bis hin zum versteinerten ‚Nichts-mehr-fühlen-können’
reichen, teilweise mit Suizidversuchen als Ausdruck völliger
Hoffnungslosigkeit.
Depression lassen sich
auch auf Grund ihres Erscheinungsbildes unterscheiden. Bei der gehemmten
Depression ‚versteinern’ Patienten regelrecht. Nicht nur die körperliche
Aktivität, sondern die Psychomotorik generell reduziert sich. Andere
Menschen agieren eine bestehende Depression eher über motorische Unruhe und
das Gefühl eines innerlichen Getriebenwerdens aus und sind leicht reizbar.
Oder aber eine Depression wird über körperliche Beschwerden ausgedrückt.
Viele Menschen scheuen sich, die sie belastenden Gefühle zu benennen, sie
nehmen eine Depression eher über ihre körperlichen Beschwerden wahr.
Betroffene klagen bei ihrem Hausarzt deshalb hauptsächlich über
Schlafstörungen (Ein- und Durchschlafstörungen, tagsüber Müdigkeit und
rasche Erschöpfung), Kopf- und Rückenschmerzen, Herz-Kreislauf-Beschwerden,
Störungen im Magen-Darm-Trakt, Appetitlosigkeit und fehlenden Antrieb.
Körperliche Missempfindungen wie belastende Druck-, Schwere- oder
Engegefühle können sich bis hin zur Hypochondrie steigern.
Obschon in den derzeit
verwendeten Diagnosesystemen weitgehend auf die Berücksichtigung
ursächlicher Faktoren verzichtet wird, hat sich in der psychotherapeutischen
Praxis folgende Unterteilung bewährt:
1. Somatogene (körperlich
bedingte, organische) Depression
Depressive Episoden sind
nicht immer nur die Folge psychischer Prozesse, sondern können auch das
Ergebnis körperlicher Erkrankungen sein. Dazu gehören entzündliche oder
onkologische Erkrankungen, Schilddrüsenfunktionsstörungen, schwere
Herzerkrankungen, aber auch neurologische Erkrankungen wie Parkinson,
Multiple Sklerose und spezielle demenzielle Erkrankungen. Medikamente (z.B. Amphetamine, Hormone, Neuroleptika,
Drogenentzug) können außerdem zur Ursache, zur Begleiterscheinung oder zum
Auslöser einer Depression werden.
2. Endogene Depression
Bei dieser
Depressionsform geht man von bedeutsamen angeborenen Faktoren aus, die das
Auftreten einer Depression begünstigen. Aber auch hier sind – ähnlich wie
bei den folgenden beiden Depressionsformen – lebensgeschichtliche
Erfahrungen (Wovon ist mein Selbstwertgefühl abhängig? Wie kann ich mich in
Belastungssituationen stabilisieren?) und auslösende Bedingungen
(Situationen, die für den Betreffenden eine psychische Belastung darstellen)
Voraussetzung für die depressive Entwicklung.
3. Neurotische Depression
Bei der neurotischen
Depression ist häufig in der biographischen Vorgeschichte des Betroffenen
eine Störung in der Verarbeitung psychischer Erlebnisse zu finden. Bestimmte
zugrunde liegende neurotische Persönlichkeitszüge führen im Zusammenspiel
mit belastenden Umwelteinflüssen zu phasenhaft auftretenden Depressionen.
Oft sind es so genannte Versagens- oder Versuchungssituationen im Alltag,
die verdrängte Konflikte unbewusst aktualisieren und scheinbar grundlos
depressive Symptome hervorrufen.
4. Psychoreaktive
Depressionen
Diese Form der Depression
wird durch ein akutes Ereignis ausgelöst, wie z.B. Unfall, Trennung,
Arbeitsplatzkonflikt, Enttäuschung, Kränkung oder gravierende soziale
Veränderung, auf die man keinen Einfluss zu haben scheint. Die depressive
Reaktion folgt unmittelbar nach dem auslösenden Ereignis und ist inhaltlich
um dieses zentriert. Empfundene Trauer, als Reaktion auf den Verlust einer
nahe stehenden Person, äußert sich in ähnlichen Symptomen wie eine
Depression, weist aber keine Selbstwertproblematik bzw. Suizidalität auf.
Von einer Depression als Trauerreaktion wird erst dann ausgegangen, wenn die
depressiven Symptome auch nach Monaten bestehen bleiben und sich
Schuldgefühle, besondere Rituale und Lebensüberdruss manifestieren.
Welche
Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Auf Grund der Komplexität
psychischer Erkrankungen und deren Auswirkung auf das körperliche Befinden
kann häufig erst ein Psychiater oder ein Psychotherapeut eine fundierte
Diagnose über die genaue Art der Depression stellen. Vor Beginn einer
Psychotherapie müssen mögliche körperliche Ursachen ausgeschlossen werden,
die eindeutig eine Depression hervorrufen können.
Sowohl die Verhaltens- und
die Gesprächspsychotherapie, als auch die tiefenpsychologisch orientierten
Therapien können beim Umgang und bei der Bewältigung einer Depression
helfen. Eine antidepressive medikamentöse Behandlung steht bei den schweren
Depressionen im Vordergrund und ist bei mittelschweren Ausprägungen oft eine
sinnvolle Ergänzung der Psychotherapie.
Vertiefende
und weiterführende Literatur:
Hegerl U, Niescken S (2004) Depression bewältigen – die Lebensfreude
wiederfinden.
Trias
Niklewski G, Riecke-Niklewski R (2005) Depressionen überwinden.
Stiftung Warentest
Nuber U (2006) Depression.
Die verkannte Krankheit. dtv
Süßmilch A (2000) Die Winterdepression.
IPSIS
Weitere Literaturhinweise
finden Sie auf unserer Literaturseite
"Depressionen und Manien".