Mobbing zeigt sich in unserer Gesellschaft mit vielen Gesichtern, denn
die Kreativität von Gemeinheit und Schikane kennt auch unter Erwachsenen
keine Grenzen. Globalisierung und Existenzängste führten in unserer
westlichen Kultur in den vergangenen Jahren zu einem drastischen
Wertewandel. Zwangsläufig treten persönliche Interessen in den
Vordergrund, gegenseitige Unterstützung und Solidarität verlieren
zunehmend an Bedeutung. Zunehmend leiden Menschen unter Mobbing. Dieses Phänomen
wächst inzwischen zu einem immensen gesundheits- und
wirtschaftspolitischen Problem heran. Doch was ist Mobbing? Wie äußert
es sich und was kann der Betroffene dagegen tun?
Schon im Wort ‚Mobbing’ drückt sich ein Kampf zwischen ungleich
starken Gegnern aus. Mobbing bedeutet Dreckschleuder, Giftspritze; to mob
= anpöbeln, schikanieren. Einzelne Personen – auch ganze Arbeitsgruppen
- fühlen sich von vorgesetzten, gleichgestellten oder hierarchisch
nachgeordneten Kollegen schikaniert, beleidigt, ausgegrenzt oder mit kränkenden
Arbeitsaufgaben konfrontiert. Bewusste Informationslücken, unsachliche
Kritik, fehlende Möglichkeiten, seine Arbeitsschwierigkeiten zu
artikulieren, Verweigerung bzw. fehlende Unterstützung, Nichtbeachtung,
absichtliche Ausgrenzung bis hin zu räumlicher Isolation, Gesprächsabbruch,
abwertende Blicke, Über- oder Unterforderung mit entsprechenden
Bemerkungen über Arbeitsergebnisse… Der Mobbingkatalog ausgeklügelter
Gemeinheiten ist lang und vielfältig. Nicht die einzelnen kränkenden
Handlungen gestatten die Bezeichnung ‚Mobbing’, sondern es ist
vielmehr die Summe eines alltäglichen Verhalten in Form der berühmten
kleinen Nadelstiche, die über einen längeren Zeitraum (mindestens einmal
pro Woche über ein halbes Jahr hinweg) systematisch und wiederholt
auftreten. Einmalige Vorfälle fallen aus diesem Grund nicht unter die
Bezeichnung Mobbing. Hinter dem Geschehen verbirgt sich eine Dynamik, bei
der der Zeitfaktor eine wichtige Rolle spielt. Den Anfang eines solchen
Prozesses bildet häufig ein Konflikt, der trotz seiner Bedeutsamkeit
unangesprochen und ungelöst bleibt, unterschwellig weiterwirkt und für
gereizte Stimmung unter den Kollegen sorgt. Fehlt ein entsprechender
Rahmen, eine konstruktive Streitkultur und/oder die Aufmerksamkeit eines
Verantwortlichen, um diesen Konflikt anzusprechen, nimmt die Dynamik ihren
Lauf. Sowohl die Ursachen als auch die Folgen von Mobbing beruhen übrigens
häufig auf Führungsproblemen.
Auf
Grund der anwachsenden Unzufriedenheit innerhalb eines Systems muss dann
ein Kollege als Sündenbock herhalten, gegen den sich zunehmend verdeckte
oder offene Feindseligkeiten richten, bis der ursprüngliche Konflikt in
den Hintergrund tritt. Es geht nicht mehr um dessen Lösung. Vielmehr
werden Stress oder Frust über die allgemeine Situation am Arbeitsplatz an
diesem Sündenbock ‚abgebaut’, bis eine Polarisierung in Opfer und Täter
entsteht. Mit Vorliebe richten sich die Attacken dieses unterschwelligen
Ärgers gegen Kollegen, denen es schwer fällt, sachlich, klar und
bestimmt ihre eigenen Interessen zu schützen, weil es ihnen schwer fällt,
gegen sie gerichtete Aggressionen zu benennen und somit eigenes
Abgrenzungs- und Durchsetzungsvermögen zu zeigen. Dem Gemobbten wird
kontinuierlich Akzeptanz und Respekt entzogen, so dass oft zwangsläufig
aus seiner wachsenden Verunsicherung eine Zunahme von Arbeitsfehlern
folgen. So wird Mobbing zu einem ‚persönlichen’ Problem, das die
notwendige Zusammenarbeit im Team beeinträchtigt. Eine Spirale beginnt zu
drehen, bei der entstandene Fehler als ‚reguläre’ Rechtfertigung für
weitere Ausgrenzungen dienen. Die Folgen hinterlassen gravierende Narben.
Viele Mobbingopfer wagen auf Grund fehlender Perspektiven nicht zu kündigen,
um so ein besseres Arbeitsmilieu zu finden und versuchen sich über einen
langen Zeitraum hinweg mit der qualvollen Situation am Arbeitsplatz zu
arrangieren. Versagensängste und zunehmende Misserfolge lassen den
psychischen Druck anwachsen, bis Krankschreibungen zur kurzen Erholung
unumgänglich werden. Die Verzweiflung eines Gemobbten fällt oftmals erst
dann auf, wenn sie bereits krank geworden sind. Krankheitssymptome der
schikanösen Arbeitsplatzsituation spiegeln sich in Schlafstörungen,
Panikattacken, Magen- und Darmleiden, Herz- und Kreislauferkrankungen
wieder und sind inzwischen als häufige Folgen von Mobbing nachgewiesen.
Nicht selten flüchten sich die Betroffenen in Alkoholmissbrauch oder in
anderes Suchtverhalten. Am Ende eines Mobbing-Prozesses steht der
Ausschluss aus der Arbeitswelt in Form von langfristigen
Krankschreibungen, Frühberentung oder gar der Kündigung. Im Extremfall
bildet Mobbing den Hintergrund für ein besonders tragisches Ende einer
scheinbar aussichtslosen Situation – dem Selbstmord. Experten schätzen,
dass 20% aller Suizide in Deutschland durch Mobbing ausgelöst werden.
Was kann
man als Betroffener tun, wenn man sich gemobbt fühlt?
Ein
grundsätzliches Ziel sollte immer darin bestehen, möglichst zeitig –
und damit unversehrt und gesund – aus dieser Situation herauskommen.
Viele gemobbte Kollegen schütteln beim Gedanken an Gegenwehr hilflos den
Kopf, weil sie wissen, dass sie nicht einem Einzelnen, sondern einem
komplexen Gefüge von Tätern und Mitläufern gegenüberstehen. Deshalb
ist überlegtes Vorgehen auf verschiedenen Ebenen sinnvoll – im
individuellen Alltag, am Arbeitsplatz und notfalls auch vor dem
Arbeitsgericht. Oft scheint die Empfehlung nach einen bewussten positiven
Ausgleich im privaten Leben leichter ausgesprochen als umgesetzt. Mit
Hilfe einer persönlich geeigneten Form des Stressabbau und der
Entspannung können Sie bewusst etwas für sich tun. Während der eine
eher über sportliche Betätigung seinen Stress los wird, versenkt sich
ein anderer lieber in sein Hobby. Im Gespräch mit dem Partner oder mit
Freunden können Sie gezielt Ihre Kompetenzen und Fähigkeiten erfragen.
Was können Sie gut? Welche positiven Wirkungen zeigen Sie auf andere
Menschen? Die ehrliche Antwort eines nahe stehenden Menschen hilft, Ihr
Selbstwertgefühl zu stärken und gibt Ihnen wichtige Anerkennung. Soziale
Unterstützung bieten inzwischen auch immer mehr Beratungsstellen und
Selbsthilfegruppen an. Es ist nicht nur Entlastung, wenn man erfährt,
dass sich andere Menschen in ähnlichen Schwierigkeiten befinden. In
diesem Rahmen werden Strategien gegen Mobbing vermittelt – vom
Selbstbehauptungstraining bis zum Rhetorikkurs. Doch auch am Arbeitsplatz
gibt es Möglichkeiten, konkret gegen Mobbing vorzugehen, obwohl die
Situationen so unterschiedlich sind, dass es keine Generallösung gibt.
Mobbing-Berater empfehlen als obersten Grundsatz, zuerst die eigene
Wahrnehmung zu überprüfen, indem Sie Unbeteiligte fragen, wie diese
bestimmte - für Sie belastende - Geschehnisse
empfinden und beurteilen würden. Sprechen Sie außerdem Kollegen einzeln
an, von denen Sie sich gemobbt fühlen und schildern Sie Ihre Wahrnehmung
und Gefühle, ohne anzuklagen. Ein offenes, sachliches Gespräch möglichst
unmittelbar nach einer aufgetretenen Konfliktsituation verhilft zu mehr
Klarheit. Es kann sein, dass die so Angesprochenen betroffen reagieren und
Sie gemeinsam den Konflikt lösen. Es kann aber auch sein, dass die
Situation mittlerweile derart bösartig verfahren ist, dass es nichts mehr
zu bereden gibt und Sie mit der Offenlegung Ihrer Gefühle noch mehr
Angriffsfläche bieten. Spätestens dann sollten Sie Hilfe von außerhalb
in Anspruch nehmen. Denn sich zu wehren, das sollte man sich selbst
schuldig sein.
Viele Mobbingopfer wählen nach erfolgloser Suche durch betriebsinterne
Unterstützung den Weg zum Arbeitsgericht. Bevor Sie diesen Schritt gehen,
ist es ratsam, wenn Sie über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen
ein so genanntes Mobbing-Tagebuch führen, um neben Datum und Uhrzeit die
beteiligten Personen und Anwesenden bei dem konkreten Ereignis erfassen,
in dem Sie sich emotional, psychisch und physisch bedrängt fühlten. Ist
der Weg zum Arbeitsgericht jedoch nicht das Mittel Ihrer Wahl, so sollten
Sie den Rückzug durch eine Kündigung nicht als ein persönliches ‚Kleinbeigegen’
und Versagen, sondern als sinnvolle Alternative verstehen, um sich über
einen neuen Anfang Ihre Gesundheit zu erhalten.
Vertiefende und weiterführende
Literatur
Hermans
A, Krings E (2004) Praktische Mobbing-Prävention.
Stopp dem Psychoterror am Arbeitsplatz. BoD
Kolodej
C (1999) Mobbing – Psychoterror am Arbeitsplatz und seine Bewältigung.
Wuv
Leymann
H (2002) Mobbing.
Rowohlt
Panse
W, Stegmann W (2004) Angst – Macht – Erfolg. Volk
Resch
M (1994) Wenn Arbeit krank macht. Ullstein. Derzeit leider
vergriffen, ggf. gebraucht erhältlich.
Schild
I, Heeren A (2003) Mobbing – Konflikteskalation am Arbeitsplatz.
Möglichkeiten der Prävention und Intervention. Hampp
Volk
G (2004) Determinanten von Mobbing am Arbeitsplatz. Deutscher
Universitätsverlag
Wickler
P (2004) Handbuch Mobbing-Rechtsschutz. C.F.Müller
Wolmerath
M (2004) Mobbing im Betrieb. Nomos
Zuschlag
B (2001) Mobbing – Schikane am Arbeitsplatz. Hogrefe